Bericht

24H SOLO MTB WM – SULZBACH-ROSENBERG 2010

Jörn Schwarzkopf wird Vizeweltmeister bei der 24h-WM

 

Natürlich hätte ich lieber gewonnen.

Was sonst, wenn man sich erinnert, wie der zweite Platz im letzten Jahr zustande kam. Doch im Gegensatz zum vergangenen Jahr bin ich in diesem wirklich glücklich und stolz, den zweiten Platz noch errungen zu haben!

Das Wetter war großartig, vielleicht ein paar Grad zu warm und zu staubig, aber immer noch besser als Dauerregen und Schlamm für 24 Stunden. Um 13Uhr fiel der Startschuss für die neutralisierte Überfahrt vom Marktplatz in Sulzbach-Rosenberg auf das Maxhüttengelände. Die Strecke dort führt nicht nur durch den hügeligen Wald um die Maxhütte herum, sondern auch direkt durch diese denkmalgeschützte Industrieruine hindurch. Ungewöhnliche Aussichten, eine sehr winklige Streckenführung und viel Staub warteten auf uns.

kurz vor dem Start, Ives Verbruggen und ich

kurz vor dem Start, Ives Verbruggen und ich

Die verwinkelte Strecke über 7,3km hielt immerhin auch ca.90hm pro Runde für die Fahrer bereit.

Seit vielen Jahren gibt es bei durchweg allen Extremsportwettbewerben steigende Teilnehmerzahlen zu verzeichnen, insbesondere bei 24h-Wettbewerben. Nicht nur in der Einer-Konkurrenz übrigens, auch bei den Zweier- oder Viererteams. Manche 24h-Rennen sind bereits kurz nach Eröffnung der Anmeldung vollkommen ausgebucht. Immer mehr Teams bereiten sich sehr professionell und fast ausschließlich auf 24h-Wettbewerbe vor: das Ergon 24h Racing Team, das Votec Racing Team um Ralph Berner, oder auch mein Team aus dem vergangenen Jahr, Team AS Group-Quantec, um nur einige zu nennen.

Auch dieses Mal stand also ein ausgesprochen starkes Fahrerfeld am Start. Bekannte Namen wie Rudolf Springer (A) der Sieger in Finale/I, Michael Kochendörfer (D), Bernhard Windhager (A) oder der Sieger von München, Tomas Kozak (CZ), aber auch Namen, die man vorher eher aus der Marathonszene kannte.

Nach sieben Stunden lagen die ersten vier Fahrer nur 10 Minuten auseinander: der spätere Sieger Tomas Kozak/HEPOS Plzen, Bandli Szabolcs/SoloSzabi, ich und Jan Schmidt/Team Texpa Simplon. Zu diesem Zeitpunkt lief eigentlich noch alles nach Wunsch. Ich wusste, dass meine starke Phase erst nach Mitternacht einsetzt, konnte mich also gedulden und musste nur für eine gute Ausgangsposition sorgen, bevor das Rennen dann gegen Mitternacht wirklich begann.

Bericht 21.08.10 - 15.55Uhr-1

Sehr spät am Abend kam dann leider doch einiges ganz anders…

Ich musste meine Betreuer über Magenprobleme informieren; zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, ob ich zu viel oder zu wenig gegessen hatte. Wenig später war das dann Gewissheit, ich war plötzlich ziemlich stark unterzuckert. Ich konnte noch die Runde zu Ende fahren, aß dann aber zittrig im Zelt sitzend wirklich fast alles was irgendwie nahrhaft und süß aussah.

Im Nachhinein gesehen kündigte sich das eigentlich schon ein wenig früher an. Bereits gegen 22Uhr wunderte ich mich über teilweise schwache Rundenzeiten, fand aber so richtig keine Erklärung.

Die Ernährung ist eines der Probleme, mit denen ein 24h-Fahrer zu kämpfen hat. Oft genug leider auch ein Grund, ein Rennen vorzeitig beenden zu müssen. Zum einen natürlich, weil unter hoher Belastung die Verdauung nur noch eingeschränkt funktioniert, zum anderen wegen der enormen Kalorienumsätze, die erst einmal verstoffwechselt werden müssen.Bericht 21.08.10 - 14.52Uhr

Dazu muss man wissen, dass auch in einem 24h Rennen nicht wirklich langsam gefahren wird. In den ersten 8 Stunden z.B. lag mein Durchschnittspuls bei 164  -das entspricht bei der Leistungsdiagnostik 300Watt.

Zwischen 165 und 179Puls liegt mein Entwicklungsbereich. Während der ersten 8 Stunden habe ich mich insgesamt 3:24h in diesem Bereich bewegt, 50 Minuten darüber. Bericht 21.08.10 - 16.50Uhr

Nach 200km/2600hm auf dem sehr verwinkelten Kurs und bei 29°C am Nachmittag reichte das immerhin noch für eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp unter 25km/h.

Gegen 1 Uhr saß ich also im Zelt, löffelte pürierte Kartoffelsuppe, aß Kuchen, ein paar Gummitiere, eine Tasse heißen Kaffee…Nach ca. 15 Minuten hatte ich mich einigermaßen erholt und  aufgehört wegen der Unterzuckerung zu zittern. Weiter ging’s…

unser Pavillon, noch im Aufbau

unser Pavillon, noch im Aufbau

Meine Moral war zwar zu diesem Zeitpunkt nicht die beste, aber auch nicht ganz am Boden. Ich nahm mir vor, mich in den nächsten Stunden so gut es ging zu erholen und meine derzeitige Position zu sichern.

Bericht 22.08.10 - 04.45Uhr

Mir war leider noch so flau im Magen, dass ich auf mein übliches VITARGO-Getränk verzichten musste, und statt dessen bis zum Rennende nur noch gesüßten Kamillentee bei meinen Betreuern orderte. Auch auf meine Riegel und Gels verzichtete ich vorerst, und ernährte mich bis zum Morgen von pürierter Kartoffelsuppe in meiner Trinkflasche. Ein wenig ungewöhnlich zwar, aber es half. Ich kam ganz allmählich aus dem Tief heraus. Nach zwei weiteren Pausen (6 und 11 Minuten) und den ersten Sonnenstrahlen am frühen Morgen wurde es dann endgültig besser.

-Vielen Dank noch einmal für die hervorragende Betreuung durch Lisa, Philipp und Christian, die Nacht war durch diese schwierigen Phasen sicher noch einmal um einiges stressiger!

Morgens um 6 Uhr hatte sich der Abstand nach hinten auf Michael Kochendörfer/Votec Racing Team auf knapp 9 Minuten verkürzt, der nach vorn auf Bandli Szabolcs und Platz 2 auf fast 50 Minuten verlängert, aber das Schlimmste war überstanden, mein Magen hatte sich endgültig beruhigt. Inzwischen konnte ich so langsam auch wieder meine VITARGO-Riegel essen.Bericht 22.08.10 - 06.47Uhr

Mein Ziel war jetzt, erneut einen Rundenvorsprung auf M.Kochendörfer herauszufahren um da den Druck herauszunehmen. Ich war mir noch nicht sicher, ob es in den kommenden 6 bis 7 Stunden nicht noch einmal einen Rückfall geben würde was meinen Magen betraf.

Zweieinhalb Stunden später war das geschafft!

Um meine Moral war es jetzt wieder bestens bestellt, mir ging es zusehends besser, die Rundenzeiten in den Morgenstunden hätte ich nach so einer Nacht nicht mehr für möglich gehalten.

Inzwischen hatte sich auch der Abstand auf den Zweitplazierten auf 30 Minuten verkürzt. Es blieben noch rund vier Stunden, das entsprach ziemlich genau 2,5min pro Runde, die ich aufholen musste, um ihm gefährlich zu werden. Unter normalen Umständen nicht zu schaffen. Fast zwei Runden lang haderte ich mit mir, hatte Angst mich vollends zu übernehmen und die letzte Stunde nur noch schieben zu können.

Michae Kochendörfer, Ives Verbrüggen, ich (v.l.n.r.)

Michael Kochendörfer, Ives Verbruggen, ich (v.l.n.r.)

Durch das etwas langsamere Tempo jetzt hatte ich mich von der Aufholjagd wieder einigermaßen erholt, ich fuhr einige Zeit zusammen mit M.Kochendörfer und Ives Verbruggen/Team AS Group-Quantec, dem späteren Master I-Sieger. Es waren jetzt noch zweieinhalb Stunden zu fahren, Tomas Kozak kam von hinten, der dabei war, uns erneut zu überrunden.

Kurzentschlossen übernahm ich noch einmal die Initiative und startete zum letzten Mal den Angriff auf Platz 2. Der Abstand dorthin hatte sich durch zwei kurze Pausen Bandli Szabolcs´ auf knapp 14Minuten verkürzt, und er fuhr jetzt deutlich langsamere Rundenzeiten als ich im Duett mit Tomas Kozak. Plötzlich schien wieder alles möglich. Ich wollte Bandli Szabolcs unter Druck setzen, ihn verleiten zu überdrehen, nervös zu werden, Fehler zu machen. Ich wusste, dass es erst sein zweites 24h-Rennen war, einige 12h-Rennen zwar, aber hier fehlte ihm die Erfahrung.

Die kommenden 90 Minuten fuhren wir, Tomas Kozak und ich, wirklich noch einmal sensationelle Rundenzeiten, wir wechselten uns regelmäßig in der Führung ab, nach kurzer Zeit ein eingespieltes Duo.Bericht 22.08.10 - 11.17Uhr

Das hat trotz der Härte nach 22Stunden auch noch einmal richtig Spaß gemacht. Warum Tomas Kozak da so mitzog weiß ich ehrlich gesagt nicht genau, unsere Kommunikation beschränkte sich auf ein Minimum, aber ich glaube, ich konnte ihm klar machen, warum ich so kurz vor Schluss noch einmal so anzog. Sein Sieg war zu dem Zeitpunkt jedenfalls ungefährdet.
Eine knappe Stunde vor Schluss meldeten meine Betreuer,

Christian, Phillip, Lisa

Christian, Phillip, Lisa

dass Bandli Szabolcs nicht mehr gesehen wurde. Offensichtlich hatte er eine längere Pause eingelegt. Als er dann wieder losfuhr, hatte ich einen Rundenvorsprung erreicht, den er nicht mehr aufholen konnte. Ich konnte das zunächst kaum glauben, hatte ich mich doch schon auf eine harte Aufholjagd bis zur allerletzten Runde eingestellt. Aber es stimmte tatsächlich, und ich konnte die Jagd beenden.

Wir fuhren die Runde noch zu Ende; für die nachfolgende Runde beschlossen Tomas Kozak und ich, die verbleibende Zeit bis kurz vor 13 Uhr in unseren jeweiligen Fahrerlagern abzuwarten und dann gemeinsam ins Ziel zu rollen.

Phillip, ich und

Phillip, ich  und Tomas Kozak

Bandli Szabolcs fiel hinter Michael Kochendörfer noch auf den vierten Platz zurück.

Das Besondere und eine wirklich großartige Erfahrung bei diesem Rennen war, dass ich es trotz der Unterzuckerung, dem Tief gegen Mitternacht sowie den massiven Magenproblemen geschafft habe, mich da wieder heraus zu arbeiten und in den Morgenstunden noch einmal derart zu mobilisieren, dass ich sogar wieder in der Lage war anzugreifen und hart um den zweiten Platz zu kämpfen.

Siegerehrung M.Kochendörfer, Tomas Kozak, ich

Siegerehrung
M.Kochendörfer, Tomas Kozak, ich

Das hätte ich vorher nicht für möglich gehalten, dass nach so einer Nacht noch so ein letztes Viertel machbar ist!

Der Liveticker sowie weitere Informationen zum Rennen auf meiner Seite www.jörnschwarzkopf.de

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